Written by Fredo Stengel
Den Tod als meinen Lehrer in mein Leben einladen
Was meint das eigentlich?
Einer meiner wichtigsten Lehrer Veit Lindau sagt immer wieder:
Lade den Tod als deinen Lehrer in dein Leben.
Ich habe schon eigentlich gewusst, was er damit meint oder was generell damit gemeint ist: Mache dir immer bewusst, dass Du sterben wirst, eines Tages. Mache dir dadurch die Kostbarkeit jedes einzelnen Tages bewusst und das Geschenk, welches es beinhaltet, bewusst. Auch die Begegnungen mit unseren Liebsten (Kindern, Partner*innen, Geschwister, Freund*innen)
sind SO kostbare Momente.
„Du stirbst. Beginne zu leben“
Heute vor 11 Wochen wurde ich ganz konkret mit dem Tod konfrontiert.
Mein kleiner Bruder ist von jetzt auf gleich aus meinem Leben gerissen worden.
Ich wollte noch so viel mit ihm erleben. Ich dachte ja auch, dass wir noch viiiieeeele Jahre Zeit dafür haben.
Letzte Woche haben wir seinen 38. Geburtstag gefeiert, das erste Mal ohne ihn.
Ich bin knapp 12 Jahre älter und habe ihn gewickelt, gefüttert, in den Kindergarten gebracht, Hausaufgaben mit ihm gemacht und mich (mit) um ihn gekümmert. Das habe ich gerne und freiwillig gemacht, nicht, weil ich es musste als große Schwester.
Irgendwann kam der Tag, da wuchs er über mich hinaus, physisch einen ganzen Kopf. Somit war er mein großer kleiner Bruder. Ich habe ihn wahnsinnig geliebt, wie alle meine Geschwister. Wir sind insgesamt 6.
Er war ein unheimlich großzügiger Mensch, warmherzig und unterstützend, wohlwollend.
Er hat meine Welt nicht immer verstanden, konnte mit Spiritualität, Bewusstseins- und Persönlichkeitsentwicklung, veganer Ernährung, Yoga oder Meditation nichts anfangen und doch hat er mich immer unterstützt, als Mensch und aber auch finanziell, damit ich mich weiterentwickeln konnte und z.B. bei Veit Lindau meine Ausbildungen machen konnte, ebenso meine Yogalehrerinnen-Ausbildung uvm.
Vor allem wird er mir und uns fehlen bei den Geschwistertreffen…bei den Familienfeiern, den Ausflügen, als Bruder, als wahnsinnig toller Onkel meiner Kinder, für die er immer da war. Aber ich bin auch unendlich dankbar für die kostbare Zeit, die wir als Geschwister hatten. Es sind wirklich die Erinnerungen, die mich trösten.
Und seit er gestorben ist, frage ich mich nochmal mehr:
Um was geht es eigentlich in meinem Leben oder worum soll es noch gehen?
Auch ich weiß ja nicht, wieviel Zeit ich noch habe.
Habe ich alles erlebt?
Habe ich alles ausprobiert?
Was will ich in den letzten 20 Minuten meines Lebens nicht bereuen, es NICHT getan oder ausprobiert zu haben?
Oder habe ich einfach zu viel Angst, sichtbar zu sein, weil Menschen mich auslachen könnten?
Und weißt Du was…ja, das kann sein…und ja, es wird so sein, weil es immer welche gibt, die einfach nur meckern wollen und aus ihrer eigenen Lebens-Unzufriedenheit andere lächerlich machen.
Aber ist es nicht total egal?
Ich lebe doch nur einmal! (zumindest in dieser Inkarnation).
Und wenn ich nicht ausprobiere, kann ich nicht scheitern und keine Fehler machen. Denn was ist eigentlich so schlimm daran, Fehler zu machen?
Geht es darum, einfach „gut durchzukommen“ oder ein „abenteuerliches“ Leben zu leben?
Ich wähle das Abenteuer…ich wähle die Möglichkeit, eventuell auch mal zu scheitern.
Für alles andere ist mein Leben zu kostbar.
Und genau das meint es: ich lade den/meinen möglichen Tod als meinen Lehrer ein, mir jeden einzelnen Tag bewusst zu machen, welch ein Geschenk es ist, zu leben und er – leben zu dürfen.
Wirklich Angst vor dem Tod habe ich nicht…aber mein Leben ist definitiv einfach zu schön und ich will verflixt nochmal noch so viel erleben und ausprobieren…vor allem eben auch mit meinen Liebsten. Es ist nicht selbstverständlich, dass sie alle – für mich –
da sind. In Gedanken ist mein Bruder jetzt immer dabei.
In diesem Sinne: Alles Liebe…und genießt jeden einzelnen Moment mit den Menschen, die euch wichtig sind und schafft so viele schöne Erinnerungen, wie es nur möglich ist,
habt eine schöne, lebendige Woche,
eure fraufreu
Ach ja…PS:
Sagt euren Liebsten, wie wichtig sie euch sind und wie sehr ihr sie liebt. Schaut euch beim Verabschieden immer in die Augen, denn du weißt nie, ob es nicht das letzte Mal ist. Bei meinem Bruder weiß ich noch ganz genau den letzten – in seine- „Augen-Blick“.